Wie ein Bundesministerium Novellierung und Aufwertung der Pflegeberufe konterkariert.
Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kürzlich veröffentlichte Videoreihe „Ehrenpflegas“ macht uns als professionell Pflegende fassungslos. Wir verwahren uns entschieden gegen die dortige Darstellung unseres anspruchsvollen und neuerdings von der Gesellschaft im Rahmen der Corona-Pandemie zu Recht als systemrelevant erkannten Berufes.
Wir stellen keinesfalls die dringend notwendige Rekrutierung von neuen Pflegefachpersonen in Abrede, jedoch kann dies nicht durch eine substanzlose, die täglich von unseren Kollegen*innen in den verschiedenen Settings erlebte Wirklichkeit negierende Werbekampagne geleistet werden. Es bleibt für uns unverständlich, von wem und mit welchem Ziel die Inhalte der Videos festgelegt wurden. Wen möchte man damit ansprechen und für die berufliche Pflege begeistern? Die dringend notwendige Fachlichkeit zur Bewältigung immer komplexer werdender Handlungsfelder scheint für die Macher jedenfalls bedauerlicherweise keine Rolle zu spielen.
Nein, es braucht dringend substantielle Veränderungen in unserem Gesundheitswesen. Wir finden uns nicht länger mit dem Pflegenotstand ab und klären die Bevölkerung auf, führen Aktionen und Veranstaltungen durch. Nur eine entschiedene Abkehr von den bisherigen politischen Dogmen und ein Anerkennen pflegefachlicher Expertise wird mittels der nachfolgenden Maßnahmen zu einer steigenden Zufriedenheit unserer Kollegen*innen führen, die Berufsflucht stoppen und dann auch den Zustrom von Auszubildenden / Studierenden deutlich erhöhen. Nichts wirkt stärker als positive Mund-zu-Mund-Propaganda und wenn die Sachgrundlage stimmt, kann man gerne über Imagefilme zur Verstärkung nachdenken.
Wir fordern mehr Personal und verbindliche Personalvorgaben für alle Bereiche der professionellen Pflege.
Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass der Anspruch an eine menschenwürdige und fachlich am bestmöglichen Standard orientierte Versorgung mit einem entsprechenden Personalschlüssel, welcher die jeweilige Qualifikation berücksichtigt, einhergeht. Derzeit existieren lediglich gesetzlich definierte Untergrenzen für bestimmte Bereiche. Hier müssen wir deutlich weiterdenken und einen völlig anderen Anspruch formulieren. Ein Flugzeug hebt aus gutem Grund auch nicht mit nur einem Co-Piloten im Cockpit ab.
Wir erwarten eine tarifliche Bezahlung für alle und deutlich mehr Gehalt.
Die aktuelle Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst zeigt, dass es auch 2020 noch immer eine gemessen an den an uns gestellten Anforderungen sowie der zu tragenden Verantwortung eine insgesamt in der Höhe unzureichende Bezahlung sowie große Spreizung zwischen einzelnen pflegerischen Settings und Regionen gibt. Dies ist im Sinne der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen abzustellen und gemeinsam mit den Gewerkschaften zu korrigieren.
Wir benötigen eine bedarfsgerechte Finanzierung. Das DRG-System für die Krankenhäuser ist abzuschaffen. Für die Altenpflege wollen wir eine solidarische Pflegegarantie.
Kern allen Übels sind das Fallpauschalensystem im Krankenhausbereich einerseits sowie die lediglich als Teilleistungsrecht ausgebildete Finanzierung nach SGB XI (Pflegeversicherung) andererseits. Wenn es uns als Gesellschaft mit dem Anspruch auf gesundheitliche Daseinsvorsorge ernst ist, so müssen wir der schädlichen Ökonomisierung und Privatisierung Einhalt gebieten und zurückkehren zu solidarischen Formen der Finanzierung. Konzepte dazu gibt es an entsprechender Stelle.